Abfall revolutioniert die Branche

11. 04. 2024

Abfalltransporte haben sich in der Rail Cargo Group (RCG) zu einem eigenständigen Geschäftsbereich entwickelt. Das Team Environmental Solutions, das für diesen Bereich zuständig ist, sucht die besten Lösungen, um Schiene und Straße zu verbinden. Dabei sind sie unkonventionell und werfen so manches Paradigma um. 

Christopher Prax-Huber ist Segment Manager für Environmental Solutions und in der Branche auch als Mr. MOBILER bekannt. Thomas Flatscher ist seit 35 Jahren bei der Bahn und betreut die größten Key Accounts in dem Bereich. Christopher und Thomas brennen für ihren Bereich und verstehen sich als gelebtes Zukunftsmodell der Bahnlogistik.

Was macht die RCG im Bereich Environmental Solutions?

Christopher: Bei Environmental Solutions haben wir den Fokus auf Abfalltransporten. Unser USP (Unique Selling Proposition) ist ganz klar die end-to-end Abwicklung und die end-to-end Betreuung durch den jeweiligen Key Account Manager im Zusammenspiel mit dem Customer Success Manager. Wir denken nicht von Bahnhof zu Bahnhof, sondern leben Bahnlogistik, die auch den Vor- und Nachlauf im Lkw berücksichtigt.

Welche Bedeutung hat das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), das 2021 beschlossen wurde für die Branche?

Thomas: Laut AWG muss Abfall ab zehn Tonnen und einer gewissen Kilometerdistanz, umweltfreundlich per Bahn oder mit alternativen Antriebsmöglichkeiten transportiert werden. Um die Auswirkungen des AWG abschätzen zu können, mussten wir als RCG uns erst einmal selbst damit beschäftigen, was eigentlich unter Abfall fällt, was wir schon an Abfall transportieren und wo wir schon Know-how haben. Es wurde schnell klar, wir brauchen ein eigenes Kompetenzzentrum für Abfalltransporte! Zwar hat es das in anderer Form schon gegeben, aber es war nicht eigenständig.

Christopher: Die Branche ist zudem den Lkw gewohnt und hat sich abseits von Gleisinfrastrukturen entwickelt. Also musste auch unser Logistikprozess auf den Lkw abgestimmt sein und daher multimodal. Die Ableitungen waren dann der MOBILER und der Abrollcontainer (ACTS). Darauf und dem AWG haben wir unseren Business Case für Environmental Solutions aufgesetzt.

Christopher Prax-Huber, Segment Manager Environmental Solutions & Thomas Flatscher, Key Account Manager

Was ist das Besondere am MOBILER?

Christopher: Der MOBILER ist eigentlich die dezentrale Ergänzung zu unseren Terminals und erlaubt uns auch in den Regionen auf der „grünen Wiese“ umzuschlagen, denn unsere Kunden haben oft keine Gleisanschlüsse. Für den Umschlag werden keine weiteren Einrichtungen wie Stapler oder Kräne benötigt, sondern nur der Lkw-Fahrer, der den Umschlag per Fernbedienung in sieben Minuten machen kann. Aber die eigentliche Intelligenz beim MOBILER steckt im Behältnis, nicht im Wagon, denn dieser kann auf unterschiedlichste Arten von Gütern und Abfall abgestimmt werden und erfüllt somit perfekt unsere Anforderungen. Wir bauen unsere Behälter so, wie der Kunde sie braucht.

Thomas: Unser Ziel ist, dass wir, so wie der Lkw, keine Leerfahrten produzieren und Synergien finden. Das ist jetzt in Kombination mit Abfall nicht immer leicht. Zum Beispiel transportieren wir Abfälle in die eine Richtung und Baustoffe in die andere.

Was für Arten von Abfällen transportiert ihr und mit welchen Industrien habt ihr da zu tun? 

Christopher: Wir decken ein breites Spektrum ab und transportieren sowohl nicht aufbereiteten Müll, zum Beispiel Sperrmüll und Salzschlacken als auch aufbereiteten Müll, zum Beispiel Ersatzbrennstoffe für die Zementindustrie. Je nach Abfallart gibt es unterschiedliches zu beachten. Salzschlacken beispielsweise sind ein Abfallprodukt aus der Aluminiumproduktion. Da Salz und salzhaltige Produkte sich nicht besonders gut mit Stahl vertragen, statten wir unsere Container mit einer speziellen Innenbeschichtung aus, die ursprünglich von Offshore Anlagen, wie sie im Meer stehen, stammt. Dadurch sind die Container langlebiger.

Aber unsere größten Key Accounts sind Kunden bei denen es um die thermische Verwertung von Abfall geht. Zum Beispiel EVN, Linz AG und Wien Energie. Aus dem Abfall wird also Strom, Fernwärme und Heizwärme gewonnen.

Thomas: Müll ist ein riesiger Energielieferant. Das braucht die Wirtschaft. Und das braucht vor allem die Zementindustrie, weil die in ihren Öfen viel Temperatur brauchen. Darum ist die Zementindustrie auch ein sehr großer Abnehmer von aufbereitetem Müll. Der Müll wird durch Sieben und Sortieranlagen zerkleinert und Teile herausgenommen, die anders verwertet werden können, beispielsweise in thermischen Anlagen. Das sind die beiden Möglichkeiten: entweder wird der Müll thermisch verwertet, oder aufbereitet bzw. recycelt.

Gibt es Hauptrouten, die besonders wichtig sind oder sich zukünftig abzeichnen?

Christopher: Das klassische Routendenken haben wir nicht, aber gewisse Strecken ergeben sich aus der Grundsystematik. Zum Beispiel wird Abfall von Italien Richtung Österreich, Deutschland und Schweden für die thermische Verwertung in Skandinavien transportiert. In Österreich verläuft die Hauptroute eigentlich von Westen nach Osten und Süden nach Norden. Für die Linz AG zum Beispiel transportieren wir Siedlungsabfälle von Tirol nach Oberösterreich.

Wie wollt ihr diesen neu geschaffenen Bereich Environmental Solutions in den nächsten Jahren entwickeln?

Thomas: Wir wollen neue Kunden ansprechen und für sie maßgeschneiderte Bahnlogistikkonzepte umsetzen und das international. Zum Beispiel gibt es neben dem aus Haushalten stammenden Plastikabfall noch den gewerblichen Kunststoffmüll. Dafür gibt es eigene Aufbereitungsanlagen. Hierfür entwickeln wir gerade eigene Bahnlogistikkonzepte, denn klassisch werden diese Transporte derzeit mit dem Lkw gemacht. Ganz leicht in die eine Richtung und in die andere Richtung zum Beispiel Weißware, also Kühlschränke etc. – da ist die Straße recht erfinderisch und so erfinderisch müssen auch wir sein. Die Herausforderung hier ist es gute Kombinationen zu finden, damit wir zu marktgerechten Preisen anbieten können, denn die Mengen sind riesig und der Preis sehr kompetitiv. Zukünftig wird auch Klärschlamm immer relevanter werden. Hier entstehen derzeit eigene Anlagen und auch hier braucht es eigenes Equipment. Da sind wir ganz vorne mit dabei und entwickeln eigene Lösungen.

Christopher: Derzeit pilotieren wir ein Projekt zum Transport von nicht Eisenmetallen wie Kupferstanzresten und Aluminium, wo es noch keine Lösungen (mit der Bahn) gibt. Da probieren wir dieses Jahr erstmalig mit eigenen Abrollcontainern, einige Testtransporte umzusetzen. Wir lernen einiges dabei und wir arbeiten an einem Proof of Concept bei dem wir zeigen können, dass es möglich ist. Die Herausforderung hierbei ist der hohe Warenwert. Diebstahlsicherung hat hier oberste Priorität. Ein weiteres Thema ist die Schwankung des Warenwertes. Wenn ich es heute wegschicke und es kommt in fünf Tagen an, hat es einen anderen Wert als zu dem Zeitpunkt, an dem ich es weggeschickt habe.

Wie geht ihr mit dieser Herausforderung um?

Christopher: Wir haben den Kontakt mit der Branche gesucht und gefragt, was sie brauchen. Thema Nummer eins waren kleinere Container. Unser MOBILER hat 30 Fuß in der Länge. Bis der Container Mal voll ist, steht er zu lange im Hof und es besteht Diebstahlgefahr. Thema Nummer zwei ist, dass unterschiedliche Legierungen nicht gemischt werden dürfen, weil das im Schmelzprozess die Qualität beeinflusst. Unser Lösungsansatz ist der Abrollcontainer (ACTS). Der ist nur 20 Fuß lang und wir können mehrere kleinere Einheiten mit verschiedenen Legierungen auf einem Wagen transportieren. Wie der MOBILER ist auch der ACTS ein eigenes Container- und Wagensystem, das die Vorteile von Schiene und Straße gut kombinieren kann, und dass wir zukünftig stärker einsetzen wollen.

Abschließend ist zu sagen, dass wir mit Environmental Solutions wirklich einen Paradigmenwechsel in der RCG vollzogen haben. Erstmals wird vorab in Equipment investiert, ohne einen Vertrag zu haben. Davor haben wir teilweise ein halbes bis dreiviertel Jahr für den Bau (der Container) gebraucht, bevor wir starten konnten. Inzwischen investieren wir proaktiv und schließen laufend neue Verträge ab. Das AWG hat dem Ganzen neuen Aufwind gegeben.

2023 Auf einen Blick

  • Abfallwirtschaftsgesetz:
    • 2023 in Kraft getreten
    • Ursprünglich ab 50 Tonnen und 400 km Distanz, wenn wirtschaftlich zumutbar
    • 2023 ab 10 Tonnen und 300 km
    • 2024 ab 10 Tonnen und 200 km
    • 2026 ab 10 Tonnen und 100 km
  • Gängiges Equipment: MOBILER
    • 300 Wagen und 1.200 Behälter unterschiedlicher Typen
    • bis 2026 weitere 1.200 MOBILER-Behälter und 400 MOBILER-Tragwagen angeschafft. Unter anderem:
      • MOBILER-Halftainer
      • MOBILER-Schüttgutbehälter
      • MOBILER-Multitainer
  • Transportvolumina: 1,85 Millionen Bruttotonnen
  • Umsatz ca. € 35 Millionen Euro
  • CO2 Einsparung durch auf Schiene umgestellte Transporte
  • Teamgröße: über alle Säulen inkl. Segmentmanager 19 Mitarbeiter:innen

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