Gibt es dennoch klassische Transportrouten, die wir häufig bedienen?
Leo: Wir fahren beispielsweise viel nach Italien zu den großen Pasta-Produzenten, Händlern oder Futtermittel-Herstellern. Wir transportieren auch in die Nähe der französischen Alpen in Italien: Dort wird aus dem Getreide, das wir hinbringen, Alkohol gewonnen. Dieser wird wiederum unter anderem nach Schottland gebracht, um Whiskey zu produzieren. Aber auch Wodka und Gin werden daraus hergestellt. Aber nicht nur Alkohol: Jeder kennt die bekannte Süßigkeiten-Marke mit den kleinen bunten Bären, die man kauen kann. Die Fructose für die Herstellung stammt auch aus dem Getreide, das wir transportieren. Daneben transportieren wir auch Zuckerrüben im großen Stil. Daraus wird dann der klassische Kristallzucker zum Kuchenbacken gewonnen. Das ist das Schöne: Wir alle kommen mit den Endprodukten in irgendeiner Weise in Berührung.
Ich habe gehört, dass aus Mais – und nicht, wie viele denken aus Zitronen – auch Citronensäure hergestellt wird. Das findet man ja auch in vielen Lebensmitteln.
Stevan: Richtig, wir transportieren Mais unter anderem zu einem großen Hersteller in Niederösterreich, der daraus Citronensäure herstellt. Das wird in der Lebensmittelindustrie als Antioxidans, vor allem aber als Säuerungsmittel eingesetzt. Man findet sie fast in jeder Konserve, z.B. in Tomatensaucen für Spaghetti.
Apropos Spaghetti – ihr habt schon erwähnt, dass eine häufig angefahrene Destination Italien ist, um unter anderem Spaghetti, Fusilli und Penne herzustellen. Welche weiteren Ziele bzw. Transportströme gibt es noch?
Leo: Insgesamt bedienen wir drei große Transportstränge. Italien wurde bereits genannt. Da wird das Getreide aus Ungarn, Rumänien oder der Ukraine geliefert. Aus der Ukraine fahren wir darüber hinaus auch noch viel nach Deutschland zu den großen Mühlen. Und der dritte große Strang sind die Zuckerrüben, die wir vor allem innerhalb Österreichs und Ungarns zu den lokalen Zuckerfabriken bringen. In der letzten Zuckerrübensaison sind wir allein in Österreich übrigens insgesamt über 29.000 Wagen gefahren und haben fast 1,5 Millionen Tonnen transportiert – das ist fast schon rekordverdächtig.
Sind Getreidetransporte aus der Ukraine nach wie vor ein großes Thema?
Leo: Definitiv. Früher hat die Ukraine ihr Getreide überwiegend über die Häfen (z.B. Odessa) exportiert. Dann begann der Angriffskrieg auf die Ukraine und plötzlich spielte der Landweg eine entscheidende Rolle. Vor allem zu Beginn war das herausfordernd, da es in ganz Europa für diese enormen zusätzlichen Mengen keine Ressourcen und Kapazitäten gab. Aber ich muss sagen, dass alle Beteiligten – Erzeuger, Produzenten, Verlader und Spediteure – ihre Hausaufgaben sehr gut und schnell gemacht haben. Es ist natürlich immer noch eine Challenge, vor allem wegen der Breitspur. Europa hat die Normalspur, das bedeutet, die Wagen müssen an der Grenze umgeladen werden und das heißt wiederum, dass die europäischen und ukrainischen Wagen relativ zeitnah an der Grenze zusammentreffen müssen. Zeitmanagement ist das A und O. Hinzu kommt, dass es sich ja auch um ein äußerst politisches Thema handelt.