Baustoffe: Logistik mit höchster Präzision

24. 07. 2024

Von Rohstoffen wie Kies über Spezialprodukte wie Salz bis hin zu Fertigprodukten wie Betonelemente und Gipskartonplatten – die Vielfalt ist enorm. Jedes Produkt hat seine eigenen Anforderungen und oft gehen dem Transport jahrelange Vorlaufzeiten voraus. In der Logistik sind daher umfassendes Know-how und spezielle Lösungen gefragt.

Baustoffe mögen auf den ersten Blick schlicht erscheinen, doch ihr Transport erfordert besondere Aufmerksamkeit. Peter Sorian, seit 1994 bei der Bahn, sieht sich als Urgestein der Branche. Angefangen hat er als Fahrdienstleiter. Heute ist er gemeinsam mit Georgina Babos Segmentmanager. Georgina Babos kam 2010 als Trainee zur Rail Cargo Group (RCG) und hatte von Anfang an mit Baustoffen zu tun. Als sie 2019 Segmentmanagerin wird, folgt ihr Kristina Klaric, Service Design Spezialistin, nach. Gemeinsam berichten sie über die Herausforderungen und Besonderheiten rund um den Transport von Baustoffen.

Was versteht man unter Baustoffen?

Georgina: Wir transportieren im Schienenbereich sowohl Baurohstoffe als auch Fertigprodukte. Zu den Rohstoffen zählen beispielsweise Schlacke, Kalkstein, Ton, Kaolin Kies und Klinker für die Zementerzeugung. Fertigprodukte umfassen Betonelemente, Gipskartonplatten und Fliesen, die man auch zu Hause verwendet. Darüber hinaus transportieren wir auch Rohstoffe für die Papierindustrie wie Slurry, ein flüssiges Kalziumkarbonat, oder Kaolin – das wird als Füllstoff in der Papierindustrie verwendet. Damit werden die Holzfasern geklebt. Wir fahren auch Spezialprodukte wie Schwefel oder Salz für die Lebensmittelindustrie.

Warum fallen Salz und Rohstoffe für die Papierindustrie in den Bereich Baustoffe?

Peter: Weil diese Materialien wie Kalziumkarbonat und Salz aus dem Bergbau stammen. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Produkte benötigen wir außerdem fast für jedes Produkt spezielle Transportgefäße. Wir sagen immer, wir sind der Bauchladen der RCG. Unser Portfolio reicht vom Flachwagen bis zum Kesselwagen einschließlich Staubgutwagen und Containertragwagen.

Wie lange sind die Vorlaufzeiten für eure Transporte?

Georgina: Oft sehr lange! Insbesondere bei Großprojekten wie dem Brenner Basistunnel, an dem wir seit 2007 beteiligt sind. Diese Projekte erfordern eine umfassende Planung und Koordination – oft über Jahrzehnte hinweg, um den Just-in-Time-Transport zu gewährleisten.

Was sind Just-in-Time-Transporte?

Peter: Baustoff, zum Beispiel Schotter, ist ein sogenanntes „unintelligentes“ Produkt. Damit ist gemeint, dass es einen geringen Warenwert hat und in der Regel nur über kurze Distanzen transportiert werden muss. Jedenfalls ist es in der Regel fast immer ein Just-in-Time-Projekt, weil im Nachlauf Lkw warten, die dann den Behälter umschlagen bzw. umladen für die Auslieferung oder die weitere Verarbeitung. Außerdem sind unsere Time-Slots zum Fahren am Personenverkehr ausgerichtet. Es handelt sich deshalb um Just-in-Time-Transporte, weil jeder Verkehrsträger aufeinander abgestimmt werden muss und wir uns hier eigentlich keine Verzögerungen leisten können.

Gibt es einen besonders herausfordernden Transport, an den ihr euch erinnert?

Peter: Ganz klar der Brenner Basistunnel, eben weil er so komplex war. Da arbeiten wir seit 2007 daran. Wir alle drei sind damit beschäftigt – manche von uns schon fast ihr ganzes Berufsleben.

Georgina: 2012 habe ich die erste Kalkulation gemacht, damals noch im Bereich Service Design. Peter hat es damals vertriebsseitig begleitet und Kristina hat dann meinen ehemaligen Job übernommen und macht jetzt noch immer Kalkulationen für dasselbe Projekt.

Und was liefern wir zum Brennerbasistunnel?

Kristina: Bisher knapp 600.000 Tonnen Tübbinge, das sind Betonelemente und 170.000 Tonnen Perl-Kies, zum Hinterfüllen der Tübbingwände.

Peter: Perl-Kies fällt unter Spezialschotter. Der Kies darf das Wasser, das aus dem Berg rinnt, nicht aufnehmen, denn sonst würde es zum Wachstum von Tropfstein kommen und irgendwann könnte das Wasser nicht mehr abrinnen. Perl-Kies kommt nur in den Pannonischen Platten vor. Rund um Österreich gibt es nur ganz wenige Gruben, die in Frage kommen wie Hegyeshalom und Janossomorja in Ungarn. Daher kann es sein, dass so ein Spezialschotter über längere Distanzen fährt.

Welche Herausforderungen habt ihr in eurem Segment zu meistern?

Peter: Dadurch, dass wir Just-in-Time-Konzepte haben, müssen wir sehr pünktlich fahren und unsere Konzepte auf die gegebene Infrastruktur abstimmen. Ein großes Thema ist, dass immer weniger Kunden neue Anschlussgleise bauen und wir stattdessen – ich nenne es Pop-up Hubs – nutzen. Wenn es also kein Anschlussgleis gibt, setzen wir auf multimodale Transporte und brauchen daher Abstellgleise, Platz und Zufahrtsmöglichkeiten für den Lkw.

Gibt es Trends, die auf eure Branche wirken?

Peter: Ja, die gibt es: Zum Beispiel befindet sich die Zementindustrie, die zu unseren größten Kunden zählt, in einem umfassenden Transformationsprozess hin zur CO2-Neutralität. Heute ist die Zementindustrie weltweit für sechs Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Um das zu reduzieren, soll der Anteil des Klinkers, ein Vorprodukt in der Zementindustrie, reduziert werden. Klinker erhält man, wenn man Kalkstein brennt. Dieser wird dann gemahlen und mit Zusatzstoffen vermischt, um Zement zu produzieren. Wenn man den Anteil an Klinker reduziert, kann die Zementindustrie einen erheblichen Anteil an CO2 einsparen. Dadurch bedingt ändert sich aber auch die gesamte Logistik. Für uns ergeben sich da viele Chancen und wir wollen diesen Prozess von Anfang an mitbegleiten.

Auf einen Blick

  • Transportierte Produkte: Rohstoffe für die Zementindustrie (z.B. Klinker) und Papierindustrie, Materialien für die Erhaltung der Schieneninfrastruktur, feuerfeste Materialien wie Schwefel, Glasflaschen
  • Umsatz: 160 Mio. p.a.
  • Teamgröße: 30 Kolleg:innen (national und international)

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