In Europa ist man weitgehend darüber einig, dass die Bahn als umweltfreundliches Transportmittel in der Zukunft eine erheblich größere Rolle im Gütertransport einnehmen muss. In Mittel-/Osteuropa wird im vollen Gang daran gearbeitet, den Rückstand in der Qualität der Infrastruktur gegenüber Westeuropa aufzuholen und die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber der Straße zu erhöhen, doch die damit verbundenen Bauarbeiten stellen die Bahnlogistik vor große Herausforderungen. Staaten am östlichen Rand der EU arbeiten Hand in Hand mit der Logistikindustrie an der Weiterentwicklung von Bahntransportrouten zwischen China und Europa. Die Aussichten sind vielversprechend, doch ist die Region bereit für dieses Zusatzvolumen – vor allem im Intermodal-Bereich?
Hintergründe, Stand und Potenziale
Rail Cargo Terminal - BILK (RCT-BILK) liegt im Schnittpunkt der Europäischen Güterverkehrskorridore RFC 6, 7, 9 und 11 und ist damit optimal positioniert, um als Drehscheibe die Warenströme aus allen Himmelsrichtungen zu verbinden. 2021 wurden auf den sieben 750 m langen und zwei 240 m langen Gleisen und einer Fläche von 22 ha rund 230.000 TEU umgeschlagen. Im Großraum Budapest sind die Terminalkapazitäten bereits gut ausgelastet. Auch RCT-BILK nähert sich ihrer Leistungsgrenze. Eine Expansionsmöglichkeit gibt es in der direkten Umgebung nicht, so kann das Umschlagsvolumen nur durch die effektivere Nutzung der Ressourcen erhöht werden. Dazu gehört neben digitalen Lösungen, effektiven Arbeitsabläufen und einem modernen Gerätepark auch ein berechenbarer Zugverkehr.
Pünktlichkeit ist alles
Nichts kann die Kapazitätsauslastung an einem Terminal schneller verbessern oder eben verschlechtern als die Pünktlichkeit der Züge. RCT-BILK arbeitet seit Mitte des letzten Jahres zusammen mit dem deutschen Beratungsunternehmen HPC Hamburg Port Consulting daran, den besten Weg für die Erhöhung ihrer Umschlagskapazitäten zu finden. In ihrer Sensibilitätsanalyse stellt HPC fest, dass, wenn auf einem Terminal durchschnittlich drei von acht Zügen eine Verspätung von 3 bis 5 Stunden haben, sich die maximale Umschlagskapazität des Terminals um bis zu 20 % verringern kann.
Drehscheibe zwischen Ost und West
Der Terminal befindet sich ähnlich wie der Rangierbahnhof Budapest-Ferencváros – einer der größten Rangierbahnhöfe Ungarns – in der direkten Nachbarschaft der Donaubrücke, über den der Güterverkehr fast ausschließlich läuft. Terminal BILK funktioniert aufgrund der zentralen Lage als Drehscheibe für den Bahnverkehr zwischen Ost und West, was ein großes Geschäftspotenzial, aber gleichzeitig auch eine enorme Herausforderung bedeutet, da am Terminal der Anschluss zwischen den manchmal mit mehreren Tagen Verspätung ankommenden, völlig unberechenbar laufenden Verkehren aus dem Osten und dem Süden und den mit strengen Zeitfenstern operierenden Verkehren aus dem Westen hergestellt werden muss. Leider sind Intermodalzüge, die aus westlicher, südwestlicher oder nordwestlicher Richtung in das Land eintreten, also Züge aus Deutschland oder aus den Adria-Häfen, alle zu einem Fahrtrichtungswechsel in Budapest-Ferencváros gezwungen, es kommt aber vor, dass es am oft überfüllten Rangierbahnhof keine freien Gleise für den Empfang der Züge gibt und diese an den Bahnhöfen in der Umgebung abgestellt werden. Eine Entlastung könnte es geben, wenn die schon lange geplante V0-Bahnstrecke, auf der Transitverkehre Budapest umfahren können, gebaut wird – damit steht man aber erst in der Planungsphase.
Baustellen und ihre Auswirkungen
Die Rekonstruktion der am Terminal vorbeilaufenden Strecke Budapest–Belgrad hat in Ungarn am 1. Februar 2022 begonnen. Zusätzlich werden auf dem serbischen Abschnitt dieser Route gerade ebenfalls Rekonstruktionsarbeiten durchgeführt, auch die Alternativrouten sind von Gleissperrungen betroffen. Bis Q2/2024 wird es Richtung Bulgarien beziehungsweise bis Q3/2023 Richtung Nord-Mazedonien / Griechenland 36-stündige Streckensperrungen geben. Die Sanierung der slowenischen Hauptstrecke, die Ungarn mit der Küstenregion verbindet, führt bis Ende 2025 zu einer Halbierung der Durchlasskapazität. Auch an den Schengen-Grenzen kommt es aufgrund fehlender einheitlichen digitalen Lösungen und administrativen Problemen oft zu unvorhergesehenen Verzögerungen.
Durch die laufende Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur besteht die Hoffnung, dass die Bahn langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern kann, kurzfristig müssen sich aber alle den mit den Bauarbeiten verbundenen Herausforderungen stellen. So muss sich auch RCT-BILK darauf einrichten, dass in den nächsten Jahren weiterhin mit einer erheblichen Unberechenbarkeit der Ost- und Südverkehre zu rechnen ist und ein Teil der Kapazitäten für das Abfangen dieser Volatilitäten reserviert werden muss. Viele Kunden haben die längeren Transportzeiten akzeptiert und bei der Planung ihrer Logistikkette berücksichtigt, es ist aber wichtig zumindest die zugesagten Transportzeiten einzuhalten. Um dies zu gewährleisten, müssen Terminals und Eisenbahnverkehrsunternehmen auch auf Kosten der Effektivität größere Ressourcen bereithalten, als das in einer berechenbareren Betriebsumgebung notwendig wäre. Darüber hinaus muss dafür gesorgt werden, dass die Kunden immer verlässlich und rechtzeitig über jede Veränderung der Routen und der Transportzeiten informiert werden.
Wenn die laufende Rekonstruktion der Hauptstrecken in der Region abgeschlossen ist, wird Ungarn durch die erhöhten Kapazitäten das Potenzial aus der optimalen geographischen Lage besser nutzen und die Rolle als bedeutende Drehscheibe für Schienenverkehre zwischen Ost und West erfüllen können – dabei wird die verbesserte Berechenbarkeit der Zugverkehre auch den Terminals der Region, darunter auch selbstverständlich der RCT-BILK, helfen, ihre Kapazitäten noch effektiver verwerten können.
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