Mineral Oil – von der Pipeline auf die Schiene

20. 03. 2025

Schon mal an der Zapfsäule überlegt, welchen Weg das Benzin zur Tankstelle zurückgelegt hat? Ob Diesel, Flugtreibstoff oder Schmiermittel – die Rail Cargo Group (RCG) transportiert riesige Mengen an raffinierten Mineralölprodukten und Flüssiggasen quer durch Europa und sorgt dafür, dass die Warenströme nie ins Stocken geraten. Wohin bewegt sich die Branche? Was macht die Logistik so besonders? Antworten geben Thomas Danner, Christian Rossmair und Judith Oberngruber.

Kaum eine Branche ist so dynamisch wie die des Mineralöls: Geopolitische Entwicklungen, Marktvolatilität und Nachhaltigkeitstrends prägen das Geschäft und somit auch die Logistikströme. Thomas Danner kennt mit seinen 38 Jahren Eisenbahn-Erfahrung die Branche wie kein anderer. Gemeinsam mit Christian Rossmair, der seit fünf Jahren in der RCG tätig ist, leitet er das Segment Mineral Oil. Judith Oberngruber hat als Key Account Managerin den direkten Draht zu bekannten Großkunden und sorgt für eine reibungslose Planung und Abwicklung der Transporte.

Wenn ich an Mineralöl denke, kommt mir sofort die Tankstelle in den Sinn…

Christian: Stimmt! Aber es begegnet uns praktisch in allen Bereichen unseres Lebens. Vom Lippenbalsam über Kunststoffe in Verpackungen bis hin zu Kerzen und Reinigungsmitteln. Beim Festival nutzt man beispielsweise Gas für den Campingkocher, während jemand anderes mit einem Feuerzeug die Kerze anzündet. Selbst in der Medizin ist es essenziell, etwa bei der Herstellung von Salben oder bestimmten pharmazeutischen Grundstoffen. Man denkt oft nur an Treibstoffe, aber die Palette ist viel breiter.

Sehr spannend – und was transportiert die RCG alles?

Thomas: Unser Portfolio beginnt beim Rohöl aus österreichischer Förderung und reicht bis zu allen Raffinerie-Produkten. Wir transportieren Zwischenprodukte wie Gasöle oder Mitteldestillate und Endprodukte wie Benzin und Diesel. Zudem befördern wir Flüssiggas in Kesselwagen, das aus dem Raffineriebetrieb verflüssigt wird – nicht zu verwechseln mit verflüssigtem Erdgas, das bei der Bohrung gewonnen wird und auf der Schiene nicht transportierbar ist.

Was sind denn die Herausforderungen eurer Branche?

Thomas: Die Komplexität ist eine davon. Es gibt eine bestimmte Anzahl an Raffinerien in Europa, und so eine Raffinerie kann man nicht einfach ein- und ausschalten, die Verkehrsströme müssen immer fließen. Außerdem sind die Lagerkapazitäten sehr begrenzt.

Judith: Und wir haben es mit Gefahrgütern zu tun. Da ist Sicherheit besonders wichtig. Außerdem wünschen sich unsere Kunden aufgrund des volatilen Marktes, dass sie ihre Transporte meist sehr spontan durchführen können. Wir bedienen unterschiedlichste Relationen und haben kaum festgelegte Fahrpläne. Das ist meiner Meinung nach die größte Herausforderung.

Warum ist der Markt volatil?

Christian: Der Ölpreis unterliegt hohen Schwankungen, beeinflusst durch geopolitische Einflüsse. Ein Beispiel ist der Ukraine-Krieg. Die Sanktionen gegen Russland haben die Transportwege deutlich verändert. Früher kam Flüssiggas fast ausschließlich aus dem Osten, heute beziehen wir es über die ARA-Häfen und das Mittelmeer. Auch Treibstoffe, die zuvor aus russischer Raffinerieproduktion stammten, kommen nun vermehrt aus Übersee. Das stellt uns vor neue logistische Herausforderungen, da die Wege länger und komplexer sind.

Wie kann man darauf als Logistiker am besten reagieren?

Christian: Flexibilität und vorausschauendes Handeln sind das A und O – und das gelingt uns als RCG sehr gut. Wir setzen auf eine Kombination aus Ganzzugs- und Einzelwagenverkehren. Dadurch können wir sowohl große Mengen effizient bewegen als auch individuelle Kundenanforderungen flexibel erfüllen. Zudem haben wir ausgefeilte Back-up-Konzepte mit alternativen Lieferanten, Produktionsstandorten und Routen, um auf unvorhergesehene Entwicklungen schnell reagieren zu können. Besonders in der Mineralölbranche ist eine enge Abstimmung mit den Kunden essenziell – oft planen wir Transporte Woche für Woche neu. Und die Königsdisziplin sind Kerosin-Transporte – hier zählt absolute Präzision.

Klingt nach einem sehr spannenden, abwechslungsreichen Job, den ihr da macht.

Judith: Das ist er auch. Jeder Tag ist anders und jeder neue Transport spannend, besonders Testverkehre oder neue Relationen. Ein Beispiel ist eine Raffinerie, die ausschließlich pharmazeutische Grundstoffe herstellt – kein einziger Tropfen Treibstoff verlässt dort die Anlage. Das zeigt, wie vielseitig das Segment ist. Die Branche ist extrem dynamisch, und Langeweile gibt es definitiv nie.

Gibt es auch einen Wandel in puncto Nachhaltigkeit?

Thomas: Ja, definitiv. Zum einen ist es unseren Kunden besonders wichtig, ihre Logistikketten so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Zum anderen entwickelt sich die Branche weg von der Mineralöl- hin zur Energieindustrie. Die Warenströme verlagern sich, neue Transportwege entstehen – und das wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Das Volumen ist aktuell noch gering, aber der Trend ist klar erkennbar.

Christian: Beispiele sind das Hydrotreated Vegetable Oil (HVO), ein mit Wasserstoff behandeltes Pflanzenöl oder Sustainable Aviation Fuel (SAF). Letzteres kommt bei Flugzeugen zum Einsatz. Auch hier gibt es einen großen Wandel, da die Luftfahrt sehr CO2-intensiv ist. Es geht ganz klar in Richtung Alternativen auf Basis erneuerbarer Grundstoffe statt fossiler Brennstoffe. Und auch die Logistik von diesen Produkten soll möglichst nachhaltig sein – da ist die Bahn im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern natürlich unschlagbar.

Mineral Oil – auf einen Blick:

  • 9,4 Mio. Tonnen Gesamtvolumen (65.000 Wagen) pro Jahr, davon:
    • 7,4 Mio. Tonnen Mineralöl
    • 2 Mio. Tonnen Flüssiggas
  • Organisation europaweiter End-to-end-Logistiklösungen
  • Professionelles Fracht- und Kesselwagenmanagement
  • Lauf- und Zulaufsteuerung