Wie stark sind die Umsätze zuletzt bei RCG gesunken?
Wir verzeichnen keine Umsatzrückgänge, weil wir wegen der gestiegenen Energiekosten die Preise überdurchschnittlich anpassen mussten. Die Preiserhöhungen betrugen je nach Produkt zwischen 15 und 30 Prozent.
Wie ausgeprägt waren oder sind die unterschiedlichen Entwicklungen bei den Kosten für Strom und Diesel?
Im österreichischen Markt lag der Strompreis vor der Krise bei etwa 60 Euro. Wir hatten 2022 noch wegen unserer Hedges einen relativ guten Preis von knapp 100 Euro. Im Jahr 2023 liegen wir bei rund 210 Euro. Das ist im Vergleich zum Vorkrisenniveau mehr als das Dreifache und selbst im Vergleich zum letzten Jahr mehr als das Doppelte. Die Dieselpreise lagen in Österreich zu Jahresbeginn 2022 bei 1,40 Euro. Jetzt sind wir bei 1,70 Euro – etwas mehr als 20 Prozent. Das ist ein Riesenunterschied.
Konnte RCG die Strompreissteigerungen intern auffangen?
Im Schienengüterverkehr werden extrem geringe Margen erwirtschaftet. Wir als RCG sind stolz, dass wir seit 2012 positiv wirtschaften. In einem guten Jahr schreibt der Schienengüterverkehr nicht viel mehr als eine schwarze Null. Bei einem kleinen Fehler sind wir schnell in der roten Zone. Deshalb hat der Schienengüterverkehr nicht das Potential, solche Faktorkostensteigerungen hinsichtlich Marge abzufedern. Die Straße hingegen versucht mit günstigeren Frachtraten ihre Auslastung zu halten. Wir nehmen 2023 einen Straßenpreisniveau wahr, das definitiv unter dem von 2022 liegt.
Welchen Anteil haben die Energiekosten an den Gesamtkosten bei RCG?
Das ist extrem schwierig zu beantworten, weil es stark schwankt. Im Einzelwagenverkehr betragen sie etwa 10 Prozent oder liegen leicht darunter. Bei einem schweren Rohstoff-Ganzzug liegen sie bei über 20 Prozent.
Letztes Jahr hat RCG es gerade noch geschafft, ein positives Ergebnis zu erzielen. Wird Ihnen das 2023 auch gelingen?
Abgerechnet wird am Schluss und kommuniziert wird bei der Bilanzpressekonferenz. Aber das wird sehr herausfordernd. Bezogen auf die Menge und die Produktivität wird 2023 aber ein Blutbad. Zu der rückläufigen Auslastung kommt eine hohe Baustellenaktivität in vielen Ländern, die zu mehr Aufwand führt und unter der die Produktivität leidet.
Neben den Preiserhöhungen: Wie haben Sie versucht, dieser schwierigen Lage Herr zu werden?
Der erste Schritt bei rückläufigen Mengen ist eine Anpassung des Produktionsnetzwerks. Wir haben Frequenzen reduziert und im EWV versucht, die Mengen stärker zu bündeln. Und gerade in den Netzwerkgeschäften, also im Intermodalverkehr und im Einzelwagenverkehr, halten wir Ausschau nach weiteren Mengen. So haben wir im Einzelwagenverkehr nur für Neuvolumen attraktive Preise angeboten – mit einem Ablaufdatum von einem halben Jahr. Aber das ist eine temporäre Aktion: Denn ich glaube nicht, dass man den Einzelwagenverkehr dauerhaftüber niedrige Preise gesund machen kann.
Haben Sie bei Investitionen oder Personal gespart?
Wir sind jetzt gerade bei unserer Mittelfristplanung: Wir werden unser Investitionsprogramm sicher strecken. Die aktuellen Wirtschaftsprognosen fallen deutlich schlechter aus, entsprechend haben wir unsere Pläne angepasst. Beim Personal sind wir momentan restriktiv mit Aufnahmen. Wir haben aber keinen Personalabbau geplant.
Steht der an, wenn die negative Entwicklung anhält?
Im Vertrieb muss man in einer Rezession versuchen, Mengen zu akquirieren. Dafür benötigen wir Personal. In der Produktion haben wir momentan im europäischen Netz ein hohes Störgeschehen, weshalb die Arbeitslast trotz Mengenrückgängen unverändert hoch ist. Aber wenn wir dauerhaft 15 Prozent an Mengen verlieren und das Störgeschehen nachlässt, wird man auch über eine Anpassung des Personalstandesnachdenken müssen.
Sehen Sie für 2023/2024 Licht am Horizont?
Bei einer guten Entwicklung könnte es im zweiten Halbjahr 2024 wieder eine Erholung geben. Hinsichtlich der Planung gehen wir davon aus, dass 2024 im Vergleich zur aktuellen Lage keine Besserung eintreten wird.
Das betrifft alle Kundenbranchen?
Ja, wobei wir noch ein Risiko bei der Automotive-Industrie sehen. Dieses Segment hält sich derzeit noch ganz gut. Umgekehrt glauben wir, dass wir in Industrien wie Holz, Papier oder Intermodal die Talsohle erreicht haben.
Erhalten Sie Unterstützung durch den Staat?
Österreich ist vorbildlich in Europa, was eine nachhaltige Verkehrspolitik betrifft. Es gibt bereits ein Beihilfesystem, über das aktuell ja auch in Deutschland diskutiert wird. Das österreichische Verkehrsministerium hat zudem zum 1. April das Schienenbenutzungsentgelt für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen im manipulierten Segment gesenkt. Unter dieses Segment fallen im Wesentlichen der Einzelwagen- und Intermodalverkehr. Damit konnten wir die gestiegenen Preise für Energie partiell auffangen, nicht jedoch sonstige Faktorkostensteigerungen, vor allem im Personalbereich. Damit verbleibt ein Delta gegenüber dem Lkw.
Sind Sie mit der staatlichen Unterstützung zufrieden?
Die Situation hier in Österreich ist die beste, die Sie in Europa vorfinden können. Wir sind aber vor allem international unterwegs. 80 Prozent unserer Verkehrsleistung erbringen wir außerhalb unseres Landes. Für diesen dominierenden Anteil an internationalen Transporten bekommen wir aber keine Unterstützung.
Wie sehr trifft Sie die marode Schieneninfrastruktur in Deutschland?
Massiv. Nach Österreich und Ungarn – unseren beiden Heimmärkten – ist Deutschland unser wichtigster Markt. Wir bieten dort das gesamte Spektrum an: Bahnspeditionsdienstleistungen, Tätigkeiten als Intermodal-Operator und eine eigene Traktion. Dementsprechend sind wir starkbetroffen.
Ist das Netz in Deutschland das schlechteste, das RCG in Europa vorfindet?
Wenn wir über Zentraleuropa sprechen, würde ich die Frage mit Ja beantworten. Wenn wir Richtung Türkei gehen, dann nein. Deutschland hat jahrzehntelang zu wenig in das Netz investiert. Das war ein Fehler, der lässt sich aber nicht mehr ändern. Positiv ist der Lerneffekt und das, was jetzt passiert: Die Politik hat erkannt, dass jetzt investiert werden muss. Das führt zwar zu einem erhöhten Bauaufkommen, wird sich aber mittel- bis langfristig positiv bemerkbar machen. Was ich jedoch kritisiere, ist der Umgang mit dem Schienengüterverkehr.
Was stört Sie?
Es geht mir um die neuen Stornogebühren. DB Netz plant ab 2024 ein rigides System mit aus meiner Sicht prohibitiv hohen Stornogebühren. Sie sollen 15 Prozent des Netzentgeltes betragen, selbst wenn wir 30 Tage vorher stornieren. In Zeiten wirtschaftlicher Volatilität und sich ändernden Transportketten entspricht das nicht den Marktanforderungen. Beim Personenverkehr sind es nur 3 Prozent, obwohl er viel planbarer ist. Da sehe ich eine eklatante Benachteiligung des Schienengüterverkehrs. Die Gebühren sind in Summe massiv zu hoch, inhaltlich nicht nachvollziehbar und daher inakzeptabel. Und so etwas gibt es auf der Straße auch nicht.
Sind Sie zufrieden damit, was in Deutschland beim Brennerzulauf passiert?
Nein, wir sind natürlich nicht zufrieden. In Richtung Süden ist das Bild ähnlich und zeigt die Zahnlosigkeit der europäischen Verkehrspolitik auf. Wenn ein Land brav in die Vorlage geht und die beiden Nachbarländer nur mit den Schultern zucken, ist das unbefriedigend.
Müssen Sie befürchten, dass die volle Kapazität des Brenner-Basistunnels über Jahre hinweg nicht ausgenutzt werden kann?
Wir haben ja noch ein paar Jahre, da kann sich noch einiges tun. Aber eine Überlegung für einen Übergangszeitraum wäre, die Rollende Landstraße auszubauen. Sie würde dann durch den Tunnel fahren. Am jeweiligen Ende würden die Lkw die Schiene verlassen und wieder die Straße nutzen.
Was erwarten Sie sich von der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK)?
Die DAK hat das Potenzial, den Schienengüterverkehr in Europa zu revolutionieren. Wir werden Vorteile im Bereich der Produktivität sehen und weniger Personal benötigen. Wir bekommen eine höhere Sicherheit. Mit der Kupplung können wir die Digitalisierung der gesamten Zugproduktion vorantreiben. Wir bekommen über die DAK auch mehr Kapazität im Netz, weil wir mit ETCS Level 3 auf einer bestehenden Infrastruktur eine höhere Verkehrsdichte erreichen können.
Welche Kosten kommen auf RCG zu?
Ich habe noch keine Daten für die RCG. Für den europäischen Markt rechnet man mit Kosten in Höhe von etwa 15 Milliarden Euro. Diese Summe kann der Sektor nicht selber stemmen. Da muss es einen guten Mix aus europäischen Mitteln, nationalen Zuwendungen und Geldern aus der Infrastruktur geben. Denn die Schienennetze sind ein wesentlicher Nutznießer der DAK. Aber auch die Bahnen werden natürlich einen Beitrag leisten müssen.
Wie hoch wird der Anteil der Bahnen sein?
Da möchte ich jetzt keine Zahl nennen. Aber wenn Sie sich die Verluste im Einzelwagenverkehr ansehen, ist da nicht viel zu holen. Ich denke, der Benefit wäre vor allem, dass die Bahnen diese Verluste deutlich herunterschrauben und die Unterstützungsleistungen dann sinken.
Die Bahnen sind einer der Hauptprofiteure und sollen kaum etwas beisteuern?
Hauptprofiteur ist in meinen Augen die europäische Gesellschaft über weniger CO2-Emissionen, weniger Stau- und Unfallkosten et cetera. Wenn es volkswirtschaftlich nicht sinnvoll wäre, müsste man das Gesamtprojekt infrage stellen. Die Ergebnisse im Einzelwagenverkehr bei den wichtigsten Playern in Europa sind alle negativ. Da kann die Branche nur einen kleinen Teil an den Kosten übernehmen.
Wie fällt das Ergebnis im EWV bei RCG aus?
Wir veröffentlichen dazu keine Zahlen. Aber wir würden den Einzelwagenverkehr nicht betreiben, wenn es uns nicht möglich wäre, mit den Beihilfen in Österreich ein ausgeglichenes Ergebnis zu erwirtschaften.
Vom Ergebnis her steht die RCG die letzten Jahre besser da als DB Cargo. Was machen Sie anders?
Laut Medienberichten sind die Verluste der DB Cargo vor allem auf den Einzelwagenverkehr zurückzuführen. Dazu muss man festhalten: Ein-oder zwei Handvoll Waggons in der Fläche zu verteilen ist weniger produktiv, als mit dem Lkw von Punkt zu Punkt zu fahren. Da ergibt sich eine natürliche Diskrepanz zwischen Straße und Einzelwagenverkehr. Diese Differenz muss ausgeglichen werden, sonst kann man diese Verkehre nirgendwo in Europa wirtschaftlich betreiben. In diesem Segment haben wir in Österreich wie auch seit zwei Jahren in Ungarn ein verkehrspolitisches Umfeld, das den Einzelwagenverkehr mit einem Beihilfesystem unterstützt. Da sind wir in einer besseren Lage. Aber derzeit gibt es ja in Deutschland eine Debatte, den Einzelwagenverkehr stärker zu unterstützen. Das halte ich für den gesamten Markt in Europa für sehr wichtig.
Auch ohne den EWV macht DB Cargo immer noch deutlich mehr Verlust als RCG.
Wir arbeiten an allen Stellschrauben, um die Nasenspitze über der Wasseroberfläche zu haben. Wir machen im Jahr 2 Milliarden Euro Umsatz. Die Profite, die wir in guten Jahren erwirtschaften, belaufen sich aber auf nur zweistellige Millionenbeträge.
Was tun Sie, um ein solches knapp positives Ergebnis zu erreichen?
Wir richten uns stark am Markt aus. Daher hat das Thema Internationalisierung große Bedeutung. Hier spielt der Schienengüterverkehr seine Stärken aus. Wir setzen auf Produktinnovation. Unsere TransFER Verbindungen, das sind intermodale und konventionelle Shuttleverkehre, sind für uns wichtig. Das Thema multimodale Logistik spielt eine zunehmend bedeutende Rolle: Hier versuchen wir, Unternehmen zu Kunden zu machen, die keinen eigenen Gleisanschluss haben. Deshalb arbeiten wir auch mit Transporeon zusammen, dem Marktführer unter den Vergabeplattformen für Lkw. Intern arbeiten wir permanent daran, unser Produktionsnetzwerk resilient zu gestalten. Beispielsweise bieten wir über Serbien eine Alternativroute zu Rumänien in die Türkei an. Angesichts der zunehmenden Störungen im Netz richten wir über entsprechende Lokomotiven und Lokführer, die die Streckenkenntnis haben, Umleitungen ein. Diese Resilienz, die beim Lkw normal ist, müssen wir uns im Schienensektor hart erarbeiten.