Eisenbahn einfach erklärt
Klotzkraftmessgerät: Eine hauchdünne Folie revolutioniert die Bremssicherheit
18. 06. 2025
Im Eisenbahnbetrieb gilt: Nur wenn alle Bremsen zuverlässig funktionieren, ist sicheres Fahren garantiert. Eine Hauptrolle spielt dabei das Klotzkraftmessgerät. Es misst die tatsächliche Bremskraft bei Fahrzeugen mit sogenannten Klotzbremsen – also dort, wo beim Bremsvorgang ein Klotz direkt gegen das Rad gepresst wird. Die neueste Generation des Kontrollgeräts liefert genauere Werte und erfordert für eine Messung erstmals auch nicht den Eingriff in die Bremssysteme. Das reduziert Fehlerquellen deutlich.
Die klassische Kontrolle mit dem Klotzkraftmessgerät: ziemlich aufwändig
Früher wurde die Bremskraft an Güterwagen eher indirekt überprüft. Der gängige Weg: Man maß den Druck im Bremszylinder – und ging davon aus, dass dieser ausreichend Kraft auf die Bremsklötze überträgt. Doch genau darin lag das Problem: Zwischen Bremszylinder und Rad liegt ein komplexes Gestänge mit Gelenken, Buchsen und Bolzen. Diese Verbindungen verschleißen mit der Zeit, Schmiermittel gehen verloren, die Reibung steigt – und der Wirkungsgrad sinkt.
Das bedeutete: Obwohl der Bremszylinderdruck bei der Kontrolle passte, konnte am Rad deutlich weniger Bremskraft ankommen – ein gefährliches Sicherheitsrisiko. Wer die tatsächliche Kraft messen wollte, musste auf eine Messdose zurückgreifen. Dafür wurde der Bremsklotz ausgebaut und die Messdose eingebaut – ein Eingriff, der dabei aber auch das geschlossene System veränderte und das Messergebnis beeinflussen konnte.
Die neue Lösung: Messen mit Tablet und ohne Eingriff
Die neue Generation des Klotzkraftmessgeräts setzt auf Sensorfolien, die nur 0,5 mm dick sind und zwischen Bremsklotz und Rad geschoben werden. Trotz ihrer Dünne sind sie stabil und langlebig. Über ein mobiles Modul mit Tablet, Druckluftsensor und bis zu 24 Kraftmessfolien wird die Messung gesteuert. Dabei wird der reale Luftdruck im System berücksichtigt, herausgerechnet und der mechanische Wirkungsgrad des Bremssystems exakt bestimmt.
Ein digitales Protokoll zeigt in Echtzeit, welche Bremszange wo wie viel Kraft überträgt. Schwächen werden sofort erkannt und dokumentiert. Das Besondere: Die Bremsanlage muss dafür nicht verändert werden. Dadurch entfällt die Gefahr, dass man durch das Einbauen eines Messgeräts versehentlich ein anderes Verhalten misst als im realen Betrieb.
Mit unserem neuen Messsystem ersetzen wir eine vermeintliche durch eine tatsächliche Sicherheit – und erhalten Bremswerte, die zu jeder Zeit für alle Beteiligten nachvollziehbar, teilbar und einsehbar sind.
Christian Gruböck, ÖBB TS
Ein Praxisbeispiel mit großer Wirkung
Bei Güterwagen und Triebwagen müssen abhängig vom Hersteller meist alle sechs Jahre die Bremsbauteile im Drehgestell unter dem Fahrzeug getauscht werden. Ein aufwendiger und schwerer Prozess, bei der eine Einheit über 100 Kilo schwer sein kann.
Bis eine dreiteilige Garnitur inklusive An- und Abfahrten serviciert werden kann, dauert das rund fünf Tage. Mit dem neuen System lässt sich derselbe Sicherheitscheck in vier Stunden durchführen – ganz ohne Ausbau. Das spart Zeit, Geld und erhöht die Fahrzeugverfügbarkeit deutlich. Über die gesamte Lebensdauer spart man sich mindestens eine Generalüberholung und macht die Wagen und Lokomotiven deutlich schneller wieder für den Einsatz bereit.
Fazit: Das neue Klotzkraftmessgerät macht Schluss mit aufwendigen und ungenauen Bremskraftkontrollen. Es liefert präzise, nachvollziehbare Ergebnisse – schnell, sicher und ohne Systemeingriff. Bei den ÖBB ist das neue System seit Ende 2022 etabliert und bereits in Werkstätten wie Villach, Graz, Wien und Linz im Einsatz, weitere sollen folgen.