Gütertransporte in Pandemiezeiten: Ein Lagebericht

06. 04. 2021

Vergangenes Jahr wurde über die Hälfte mehr im Vergleich zum Vorjahr zwischen China und Europa auf der Schiene transportiert. Dennoch war 2020 nicht einfach für den Schienengüterverkehr.

Woran das liegt, wie die Lage im internationalen Güterverkehr und auf der Seidenstraße derzeit aussieht, haben wir Prof. Andreas Breinbauer, Rektor und Studiengangsleiter des Studiengangs „Logistik und Transportmanagement“ der FH des BFI Wien, gefragt.

Herr Prof. Breinbauer, wie hat die Corona-Pandemie den weltweiten Güterverkehr beeinflusst?

Die COVID-19-Krise hat im Jahr 2020 zu einem dramatischen Rückgang der Weltwirtschaft geführt. Das Weltwarenhandelsvolumen schrumpfte um 6%. Allerdings hat sich die Entwicklung im Zeitverlauf und auch regional unterschiedlich dargestellt: In der ersten Jahreshälfte 2020 verzeichneten die großen Wirtschaftsplayer China, die EU und die USA sowohl beim Warenexport, als auch beim Import deutliche Rückgänge, wobei in dieser Zeitspanne China von allen dreien am wenigsten betroffen war. Ab der Jahresmitte wuchs auch der Außenhandel der EU mit China, wobei Exporte im 4. Quartal bis zu 17% gegenüber dem Vorjahr zulegten. Über das gesamte Jahr 2020 hat das Warenhandelsvolumen der EU mit China erstmals das mit der USA übertroffen!

Nimmt man das Containervolumen auf der Strecke Far East nach Europa, wurden 2020 ca. 15,6 Mio. TEU transportiert, das waren 7,5% weniger als 2019, im November hingegen lag das Transportvolumen aber bereits um 30,9% über dem Vorjahresmonat. Österreich war von den Rückgängen noch stärker betroffen, allerdings auch unterschiedlich, je nach Ländergruppen.

2021 steht jedoch ganz im Zeichen der Erholung.

Wie hat sich diese Entwicklung auf die Bahntransporte generell ausgewirkt?

Der Schienengüterverkehr war vor allem im ersten Halbjahr von der COVID-19 Krise massiv betroffen, insbesondere beim grenzüberschreitenden Warenverkehr. Auf der Strecke China-EU hat sich der Transport auf der Bahn stark erhöht, vor allem, weil auch Seefracht und Luftfracht mangelnde Transportkapazitäten hatten (siehe unten). Insgesamt war das Jahr 2020 für die Schienengüterverkehrsunternehmen in Europa kein gutes Jahr.

Wie entwickeln sich Schienengütertransporte aktuell entlang der Seidenstraße „Iron Silk Road“?

Sehr gut! Die „Iron Silk Road“ zwischen China und Europa entspricht der Zielvorstellung Chinas im Rahmen der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative) und wurde auch deswegen von den chinesischen Provinzen und der Zentralregierung mit ca. 40% subventioniert. Bahnfracht zieht normalerweise mittelhochpreisige Güter (derzeit 200 verschiedene Produktgruppen) an, die mit mittlerer Geschwindigkeit befördert werden. Aufgrund der explodierenden Luftfrachtpreise wurde viel auf die Bahn verlagert, vor allem auf der Strecke China-Europa. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 1.135.000 TEU auf der Schiene transportiert, das sind sogar 56 % mehr als im Vorjahr. Zukünftig sollen stärker hochwertige Gütertransporte subventioniert werden, was die Konkurrenzfähigkeit zur Luftfracht steigern wird. Durch die Preiskalkulation auf der Schiene, kann wahrscheinlich der Plan der chinesischen Politik, die Subventionen bis 2022 ganz zurückzufahren, eingehalten werden.

Wie sehen Sie die kurz- bis mittelfristige Entwicklung der Transporte per Bahn, Schiff und Flugzeug entlang der Seidenstraße?

Durch COVID-19 ist es zu einer leichten Modalsplitverschiebung Richtung Bahn bekommen. Dafür sind zwei Entwicklungen maßgeblich:  Einerseits kam es zu einer COVID-bedingten künstlichen Verknappung des Frachtvolumens auf See durch Streichung von Linienverkehren („Blank Sailings“) und dem Mangel an Leercontainern. Andererseits führte die Streichung von internationalen Flügen zu einer starken Verknappung des Luftfrachtraumes. Vor der COVID-Krise wurde ca. 60% der Luftfracht im Bauch von Passierflugzeugen transportiert, heute sind es nur mehr ca. 1/3 weil zusätzliche Frachtflugzeuge gechartert wurden. All das führte auf allen Transportmodi zu Rekordpreisen, wo inzwischen die Seefrachtpreise teilweise schon über den Bahnpreisen liegen, was bis dato meines Wissens noch nie der Fall war. In der EU und auch in Österreich gibt es eine starke Orientierung Richtung Nachhaltigkeit auch bei den Supply Chains und da wird hoffentlich die Bahn eine stärkere Rolle spielen.

Welche Chancen & Perspektiven bietet dies für die europäischen Schienengüterverkehrsunternehmen generell bzw. für die ÖBB Rail Cargo Group speziell?

Das hängt natürlich mit der Entwicklung der Pandemie zusammen, aber auch damit, ob und wie die Supply Chains regionaler werden. Regionalisierung in Europa kann z.B. dazu führen, dass die Bahn wieder Anteile an den Lkw verliert. Da China der Gewinner der COVID-Krise ist und das Handelsvolumen der EU mit China einen Rekordwert erreicht hat, sehe ich gute Chancen, dass das Volumen Far East-EU auch kurz- bis mittelfristig steigen und sich der Modalsplit (geringfügig) auch weiterhin Richtung Schiene verlagern könnte. Die Rail Cargo Group ist im Far East Geschäft ein kompetenter und renommierter Player, der weiterhin gute Chancen hat.

Inwieweit unterstützt der Schienengüterverkehr auf der Seidenstraße die Erreichung der Klimaziele im Rahmen des Green Deals – Stichwort „Green Silk Road“?

Bei aller Kritik an Europa, im Bereich Nachhaltigkeit sind wir Weltspitze. Und China der mit Abstand größte CO2 Emittent der Erde.  Sowohl die EU mit dem Green Deal als auch China seit 2017 mit zahlreichen Nachhaltigkeitsstrategien forcieren das Thema Nachhaltigkeit sehr stark. Im kommenden 14. Fünfjahresplan Chinas, der im Frühling 2021 verabschiedet wird, ist Nachhaltigkeit ein zentrales Thema. Die „Green Silk Road“ soll dabei eine zentrale Rolle spielen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bahntransporte in diesem Kontext forciert werden, und dass es dazu auch entsprechende Projekte geben wird. Hier könnte die Rail Cargo gut anknüpfen, weil sich umweltschonende Gütertransporte auf der Bahn auch gut mit den EU-Zielen und österreichischen Vorgaben vereinbaren lassen.

Prof. Dr. Andreas Breinbauer

Prof. Andreas Breinbauer, Rektor und Studiengangsleiter des Studiengangs „Logistik und Transportmanagement“ der FH des BFI Wien.